Das Blockchain-Start-up retraced hilft Modemarken, ihren Einsatz für Umweltschutz und eine faire Arbeitswelt Verbrauchern gegenüber sichtbar zu machen. In der Corona-Pandemie half die NRW.BANK den Gründern mit dem Programm NRW.Start-up akut, ihr Geschäft weiter voranzutreiben.

retraced-Gründer Lukas Pünder und Philipp Mayer vor einer geöffneten Balkontür
Lukas Pünder (links) und Philipp Mayer

Wo kommt mein neues T-Shirt her? Woher stammen die Rohmaterialien für dessen Produktion? Und haben alle in der Lieferkette auf die Umwelt und faire Arbeitsbedingungen geachtet? Wer Wert auf fair gehandelte und ökologisch produzierte Kleidung legt, hatte bislang nur wenig Möglichkeiten, hinter die Kulissen der Modeindustrie zu blicken. Für mehr Transparenz im Kleiderschrank machen sich seit Anfang 2019 die drei Gründer des Düsseldorfer Start-ups retraced Lukas Pünder, Philipp Mayer und Peter Merkert stark. „‚Retrace‘ ist das englische Wort für zurückverfolgen“, sagt retraced-Vertriebschef Lukas Pünder. „Und genau das ist, wobei wir die Modemarken mit unserer Plattfom unterstützen. Denn nur Verbraucher, die selbst vor Ort beim Kauf zurückverfolgen können, wo und wie ein Modestück produziert wurde, werden einer Modemarke zukünftig Vertrauen schenken.“

Nachhaltigkeit per App prüfen

Im ersten Schritt zeichnet retraced dafür jeweils die komplette Wertschöpfungskette eines Produkts nach. Anschließend geht es ans Sammeln, Analysieren und Speichern von jeder Menge Daten über Hersteller, Lieferanten, Rohstoffe und Produktionsstätten. „Zu diesem Zweck vernetzen wir alle Beteiligten auf der von uns selbstentwickelten Digitalplattform, damit sie die Informationen über die Produktionsstandards laufend miteinander austauschen können“, erklärt retraced-Mitbegründer und Produktmanager Philipp Mayer. Zusätzlich checkt retraced auch noch die Nachhaltigkeit der Materialien und die Arbeitsbedingungen bei den Produzenten. „Um Manipulation in der Datensammlung auszuschließen, nutzen wir die Blockchain-Technologie“, so Mayer. „Sie sorgt für volle Transparenz darüber, wer, was, wann in der Produktion gemacht hat, weil sie sich wie ein Netzwerk über die Wertschöpfungskette legt und alle Transaktionen innerhalb des Netzwerks chronologisch abspeichert.“ Daten, die einmal in der Blockchain gespeichert sind, können zudem nicht mehr verändert werden, sodass sich jederzeit nachvollziehen lässt, wer sie eingespeist hat und somit auch für die jeweilige Information die Verantwortung trägt. Das erzeugt hohen Druck, keine Falschinformationen in das System einzugeben. Mayer: „Damit kann der Verbraucher, der die Daten per App im Internetshop oder via QR-Code im Geschäft abfragt, sicher sein, dass er sich auf die Informationen verlassen kann.“

Drei Modemarken als Pilotkunden

Die Idee, durch mehr Transparenz für mehr Nachhaltigkeit in der Modebranche zu sorgen, kam gut an. So gut, dass die Gründer Ende 2019 bereits drei Modemarken als Pilotkunden für sich gewonnen hatten. Mehr noch: Beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2020 nahmen sie auch den Sonderpreis Digitalisierung in der Kategorie Start-ups entgegen. Zeitgleich gelang es den retraced-Gründern, für die Weiterentwicklung ihrer Technologie und den Ausbau ihres Kundenkreises bei Familien und Freunden sowie drei Business Angeln Wagniskapital einzusammeln. „Damals gab uns ein befreundeter Start-up-Unternehmer den Tipp, uns für das Förderprogramm NRW.SeedCap zu bewerben“, erinnert sich Pünder. Mit diesem Produkt stellt die NRW.BANK jungen Unternehmen etwa aus dem Bereich Digitale Wirtschaft häufig die erste Finanzierung zur Verfügung.

Innovatives Geschäftsmodell

„Retraced überzeugte uns mit seinem innovativen, wachstumsorientierten Geschäftsmodell, sodass wir das Engagement eines Business Angels über 50.000 Euro spiegelten,“ erklärt Torsten Klink, Experte für Frühphasenfinanzierungen bei der NRW.BANK. Insgesamt sammelte retraced bei dieser 1. Finanzierungsrunde 230.000 Euro ein. Das Geld sollte bis Anfang 2021 reichen. Doch dann kam Corona. „Mit dem Lockdown hatten Modemarken andere Sorgen, als über ihre Lieferkettentransparenz nachzudenken und mit uns Gespräche zu führen“, so Pünder. Auch in dieser schwierigen Situation stand die NRW.BANK dem noch jungen Unternehmen zur Seite. Über das eigens für Gründer in der Corona-Krise neu aufgelegte Förderprogramm NRW.Start-up akut stellte die Förderbank retraced ein Wandeldarlehen in Höhe von 100.000 Euro zur Verfügung.

Mit Wandeldarlehen die Corona-Krise überbrückt

„Die Unterstützung von der NRW.BANK war für uns und unsere Investoren ein ganz wichtiger stabilisierender Faktor“, sagt Philipp Mayer. „Mit dem Finanzpolster im Rücken konnten wir unser Serviceangebot in der Lockdown-Phase in Ruhe weiterentwickeln.“ Als sich die wirtschaftliche Lage entspannt hatte und die Modeunternehmen die Folgen der Pandemie für ihr Geschäft besser einschätzen konnten, lief es auch bei retraced wieder rund. „Was das Umsatzwachstum und die Kundenzahlen angeht, hat uns Corona sicherlich um vier bis sechs Monate in unseren Planungen zurückgeworfen“, so Mayer. „Mittlerweile haben wir aber bereits zehn neue Modemarken für unsere Service- und Softwarelösung begeistern können und sind zuversichtlich, dass es für uns erfolgreich weitergeht.“


Stand: 1. April 2021